Frage: Herr Dr. Birkholz, Caspar David Friedrich verbrachte den Großteil seines Lebens in Dresden. Einige seiner berühmtesten Werke zeigen die bizarre Felsenwelt der Sächsischen Schweiz. Was hat ihn an dieser Landschaft fasziniert?
Antwort: Er fand hier, unweit der Stadt, eine unglaubliche Vielfalt an Motiven auf engstem Raum. Andere Landschaftsmaler an der Kunstakademie hatten die bizarre Landschaft damals bereits für die Kunst entdeckt, und er kannte ihre Werke aus der Dresdner Gemäldegalerie. Es geht ihm in seinen Gemälden aber weniger um die Darstellung der klassischen Highlights oder um topografische Genauigkeit als um die Gefühle, die eine Landschaft beim Betrachter auslöst.
Warum spielte für Friedrich und seine Zeitgenossen die eigene Emotionalität eine so große Rolle?
Das Ende des 18. Jahrhunderts ist bestimmt von der Aufklärung, dem Versuch, mit Rationalität zu einer Verbesserung des Lebens der Menschen beizutragen. Dann kommt die Terrorherrschaft der französischen Revolution, gefolgt von den napoleonischen Kriegen. Die Romantiker erleben, wie der Rationalismus in sein Gegenteil umschlägt. Und sie suchen nach neuen Antworten auf die Frage, was den Menschen ausmacht. Dabei entdecken sie die eigene Gefühlswelt als etwas sehr Existenzielles. Es gibt ja dieses bekannte Zitat von Friedrich: „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er also nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.“
Die große Sonderausstellung im Albertinum und im Kupferstich-F: Kabinett trägt den Nebentitel „Wo alles begann“. Was ist damit gemeint?
A: Friedrich wurde in Greifswald geboren und hat in Kopenhagen Kunst studiert, aber erst in Dresden wird er zum Romantiker. In einem Brief an Friedrich August von Sachsen betont er, es seien die schöne Landschaft und die bedeutenden Kunstschätze gewesen, die ihn nach Dresden gelockt und dazu beigetragen haben, dass sich hier seine besondere Kunst entwickeln konnte.
Dresden ist ja eine Stadt, die wesentlich zur Geburt der Romantik beigetragen hat. Die Brüder Schlegel waren hier, Novalis war hier. In diesem fruchtbaren Umfeld konnte Friedrich seine ganz eigene künstlerische Sprache entwickeln.
Auf welche Höhepunkte der Sonderausstellung freuen Sie sich persönlich besonders?
Wir präsentieren Friedrichs Werk in Dresden mit einer sehr hohen Konzentration und Dichte. Das Kupferstich-Kabinett zeigt Zeichnungen, die in ihrer Detailgenauigkeit unglaublich faszinierend sind. Im Albertinum begegnen die Gemälde Friedrichs den großen Meisterwerken aus der Gemäldegalerie Alte Meister. Wir bekommen absolute Hauptwerke der Landschaftsmalerei von Jacob van Ruisdael, Salvatore Rosa und Claude Lorrain als Leihgaben. Es wird sehr faszinierend sein, zu sehen, wie Friedrich darauf reagiert und wie er sich andererseits davon abgrenzt.
Grundsätzlich freue ich mich sehr darauf, den Besucherinnen und Besuchern im Albertinum eine intensive Begegnung mit Werken Friedrichs zu ermöglichen, die nicht auf Reisen gehen. Dazu gehören der „Tetschener Altar“, „Das Große Gehege bei Dresden“ oder auch dieses wunderbare, große, unvollendete Gemälde „Der Friedhof“. Diese Bilder werden im Jubiläumsjahr nur im Albertinum in Dresden zu sehen sein.
Die Fragen stellte Sebastian Thiel.
Weitere Informationen zur Sonderausstellung im Albertinum: HIER